Arzneimittelrückstände und hormonell wirksame Substanzen in Gewässern


Arzneimittelrückstände in aquatischen Ökosystemen

Nach dem derzeitigen Wissensstand sind Arzneistoffe aus der Humanmedizin wie Lipidsenker, Analgetika, ß-Blocker und Antiepileptika in Oberflächengewäsern weit verbreitete Kontaminanten.

Eine umfassende Risikoabschätzung über mögliche Auswirkungen von Arzneimittelrückständen in der Umwelt sind derzeit nur beschränkt möglich, da in der Literatur kaum valide Daten über die ökotoxischen Wirkungen von Arzneimitteln und deren Metaboliten vorhanden sind. Die meisten publizierten Daten beziehen sich auf die akute Toxizität von aquatischen Organismen. Die chronischen Wirkungen von Arzneistoffen in den Umweltkompartimenten Wasser/Boden sowie mögliche neuro- und endokrintoxische Effekte sind noch weitgehend unbekannt.

Humanarzneimittelwirkstoffe und -metaboliten gelangen über verschiedene Eintragspfade in die Umwelt. Diese beginnen bei der Herstellung, der bestimmungsemäßen Anwendung der Präparate oder bei deren Entsorgung als Abfall. Über die Strecken Aufnahme durch den Mensch -> Ausscheidung mit den Fäkalien -> Abwasser -> Kläranlagenabfluss -> Fließgewässer -> Grundwasser oder Abwasser -> Klärschlamm -> Boden -> Grundwasser können verschiedene aquatische und terrestrische Lebensgemeinschaften beeinträchtigt und das Trinkwasser kontaminiert werden. Dabei stellen kommunale Abwässer den bedeutendsten Eintragspfad dar. Insbesonder in Fließgewässern mit hohem kommunalen Abwasseranteil sind deshalb hohe Befunde zu erwarten.

Eintragspfade
Abb: Eintragspfade für Humanarzneimittelwirkstoffe in die Umwelt

Zu Beginn der Neunziger Jahre wurden sozusagen zufällig im Rahmen des Routinemessprogramms für Pflanzenschutzmittel, die dem Herbizid Mecoprop isomere Clofibrinsäure (Metabolit von 3 Lipidsenkern) im Trink-, Grund- und Oberflächenwasser nachgewiesen wurden.

Mit der Erkenntnis, dass Arzneimittelwirkstoffe in Relation zu Pflanzenschutzmitteln in vergleichbaren Konzentrationen in der aquatischen Umwelt anzutreffen sind und dem Wissen, dass es sich bei diesen Stoffen bestimmungsgemäß um biologisch hochaktive Substanzen handelt, ergibt sich die Frage nach eventuellen adversen Wirkungen auf Nichtzielorganismen im aquatischen Ökosystem nahezu zwangsläufig. Einige Beispiele möglicher unerwünschter Wirkungen von Arzneimittelwirkstoffen in der Umwelt sind der folgenden Tabelle zu entnehmen.

Tabelle 1: Mögliche adverse Effekte von Arzneimitteln in der Umwelt

Wirkstoffgruppe
Beispielsubstanz
Möglicher adverser Effekt
Antibiotika
Roxithromycin
Bildung resistenter Krankheitserreger
Desinfektionsmittel
Phenoxypropanol
Beeinträchtigung der Mikrobiologie in Kläranlagen
oft mutagene Wirkung
Narkotika
Sedativa
Prilocain - HCl
Barbiturate
Veränderung der Lebensrhythmen der Organismen
Störung der Räuber-Beute-Beziehungen
Enzyminduktion zur Metabolisierung von Schadstoffen
Sexualhormone
Ethinylestradiol
Reduzierung der Fertilitätsraten
Veränderung des Geschlechterverhältnisses
Malformation der Genitalorgane
Zytostatika
5-Fluorouracil
zytostatische Wirkung auch im Nichtzielorganismus
oft starke kanzerogene, mutagene und reproduktionstoxische Wirkung


Eine Abschätzung des Risikos bezüglich des Auftretens adverser Effekte von Arzneimittelrückständen in der Umwelt ist jedoch nur möglich, wenn einerseits deren Konzentrationen im jeweils betrachteten Umweltkompartiment bekannt sind oder abgeschätzt werden können und andererseits die Umweltkonzentrationen bekannt sind, oberhalb derer mit schädigenden Wirkungen gerechnet werden muss.

Tabelle 2: Wirkstoffe mit hoher Umweltrelevanz (wirkungsseitig zu begründendes Gefährdungspotential für Brandenburger Oberflächengewässer):

Wirkstoff
Wirkstoffgruppe
Ethinylestradiol
Cocospropylendiaminguaniacetat
Ciprofloxamin-HCl
Glucoprotamin
Laurylpropylendiamin
Benzalkoniumchlorid
Clofibrinsäure
Clarithromycin
Polyvidon-Iod
Metformin-HCl
Dodecylbispropylentriamin
Sexualhormon
Desinfektionsmittel
Antibiotikum
Desinfektionsmittel
Desinfektionsmittel
Desinfektionsmittel
Lipidsenker (Metabolit)
Antibiotikum
Desinfektionsmittel
Antidiabetikum
Desinfektionsmittel

(Quelle: LUAB, Studien und Tagungsberichte Band 39, Mai 2002)

Typische weitere Arzneimittelrückstände:

Wirkstoffe:

Weitere Medikamentengruppen:
 Neben Humanpharmaka sind auch Tierarzneimittel und Futtermittelzusatzstoffe umweltrelevant.

Funde im Trinkwasser liegen weit unter der humantherapeutischen Wirkungsschwelle, sind aber aus trinkwasserhygienischer Sicht nicht akzeptabel.

Neben rein humantoxikologischen Wirkungen sind auch funktionelle Wirkungen wie hormonelle, reproduktionstoxische, immuntoxische oder neuronale Wirkungen auf Nichtzielorganismen, z.B. Fische (Verweiblichung), zu beachten.

Weiterhin sind zu beachten:

 

Hormonell (endokrin) wirksame Substanzen)

Definition der endokrin wirksamen Substanzen:

Eine endokrin oder hormonell wirksame Substanz wird definiert als ein von außen zugeführter Stoff, der in Synthese, Ausscheidung, Transport, Bindung, Wirkung oder Eliminierung von natürlichen Hormonen im Körper eingreift, die für die Aufrechterhaltung des hormonellen Gleichgewichtes, die Fortpflanzung, die Entwicklung und/oder Verhalten verantwortlich sind.

Dazu gehören:


Vorkommen von endokrin wirksamen Substanzen

Substanzen, die hormonell wirken, sind im Zeitalter der Kunststoff- und Chlorchemie in der Umwelt in vielfältiger Struktur und Form anzutreffen.

Wie in Tab. 3 ersichtlich ist, trifft man die endokrinen Substanzen in fast allen Lebensbereichen und somit überall in der Umwelt an. Vermeidungsstrategien sind nur durch gesetzliche Regulative realisierbar. Weiterhin bedeutsam sind auch die zahlreichen von Pflanzen und Pilzen gebildeten Stoffe (Phyto- bzw. Mykoöstrogene) mit hormonellen Effekten, die die Organismen über die Nahrungskette aufnehmen und auf diese Weise weiteren Umweltmedien zuführen. Darüber hinaus gelangt eine nicht unbeachtliche Menge an hormonell wirkenden Arzneimitteln (z.B. Ethinylestradiol - Pillenwirkstoff) überwiegend über das Abwasser in die Umwelt (Fließgewässer, Sedimente, Klärschlamm, Boden).

Tabelle 3: Vorkommen von hormonell wirkenden Chemikalien in Artikeln des täglichen Gebrauchs
Substanz
Vorkommen
Bisphenol A
  • Konservendosen - weiße Innenbeschichtung
  • Kronkorken - weiße Beschichtung Unterseite
  • weiße Kunststoff-Zahnfüllung
  • Wasserrohre aus Metall - Innenbeschichtung
  • Kunststoffe wie Polykarbonate - schusssichere Bankschalter, harte Plastik-Kontaktlinsen
  • Epoxidharze
Phthalate
(Weichmacher)
  • viele weiche Kunststoffe
  • Lebensmittelverpackungen aus Folie und Pappe
  • Klebstoffe in der Verpackungsindustrie
  • Emulsionsfarbe
  • PVC-Bodenbelag u.a. PVC-Gegenstände
  • Druckfarbe - auch auf Lebensmittelverpackungen, dann anreicherung in butter, Margarine, Käse, Babymilchpulver und Chips möglich
Alkylphenole
  • Detergentien - Industriewaschmittel für Schaffelle, Reinigungsmittel für Platinen
  • Antioxydationsmittel, die in transparenten Kunststoffen das Vergilben vermeiden
  • Körperpflegemittel -Shampoos, Rasiercremes, Komsetika
Chlorierte Verbindungen (PCB´s, Dioxine)
  • mittlerweile überall in Boden, Luft, Wasser
  • fetthaltige nahrungsmittel - Milchprodukte, Wurst, Fisch, Schokolade
Pestizide
z.B. DDT und Abbauprodukte
  • Obst und Gemüse
  • alle fetthaltigen nahrungsmittel
  • Trinkwasser (Atrazin)
  • Boden, Wasser
Tributylzinn (TBT)
  • Anstriche für Schiffsrümpfe
  • Stabilisator und Katalysator bei der Kunststoffherstellung
Pentachlorphenol
  • Holzschutzmittel
  • Lederwaren (Import)



 Die Auswirkungen auf aquatische Organismen sind hinreichend beschrieben (Fische, Muscheln, Alligatoren).

Beim Menschen werden endokrin wirksame Substanzen im Zusammenhang mit Störungen der Entwicklung von Sexualorganen der männlichen Nachkommen sowie auch mit Brustkrebs bei Frauen diskutiert .
 


Kosmetika

Rückstände aus Kosmetika und Körperpflegemitteln

Diese Stoffe werden bei der physikalisch-chemischen Aufbereitung von TW zurückgehalten.

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